Wer einmal auf dieser Terrasse gesessen hat, wird immer wiederkehren wollen. Am Horizont senkt sich die Sonne in den Nil, Nebel legt sich wie ein Schleier über das sachte fließende Wasser. An dieser Stelle, im Old Cataract Hotel in Assuan, hat Agatha Christie Zeilen ihres Kriminalromans „Der Tod auf dem Nil“ erdacht. Hier beginnt auch die Reise, die uns ins Tal der Könige bringen soll.
Von Assuan nach Luxor soll sie führen, über 210 Kilometer. Fünf Tage soll sie dauern, obwohl der Luxusliner nur zwei Tage nilaufwärts bräuchte – zu viele Schätze, die besichtigt werden wollen, liegen entlang des Weges.
Aber Assuan will uns gar nicht ziehen lassen: Anmutig liegt die sonnenreichste aller ägyptischen Städte an der schönsten Stelle des Nils, das Leben geht hier einen langsamen Gang. Segelboote fahren dem Horizont entgegen, in schwimmenden Restaurants wird frischer Fisch zu den Klängen nubischer Musik zubereitet. Der Souk, der lokale Markt – es wird nicht der letzte auf dieser Reise sein –, betört alle Sinne, so farbenfroh sind die Gewürze und so wohl riechend die Parfumes.
Da ist es schwer, weg zu kommen, zumal die Fahrt nur langsam beginnt: Ein anderes Schiff hat Vorrang an der Schleuse in Esna, in deren Kammern nur zwei Schiffe passen, eines in jede Richtung. Dieselgeruch liegt in der Luft, ein paar Mitfahrende murren. Ein wenig, würde Agatha Christie wohl feststellen, hat der Nil verloren von der Beschaulichkeit aus ihren Tagen. 260 Schiffe verkehren heute im Schnitt in beide Richtungen, das macht gelegentlich Wartezeiten erforderlich. Die Regierung hat deshalb inzwischen den Bau an einer größeren Schleuse in Esna begonnen. Noch in diesem Jahr soll sie fertiggestellt sein.
Und die deutschen Reiseveranstalter wissen ganz offenbar ebenso wie die Behörden, wie man aus Wartezeit Freizeit macht: mit „ägyptischen Nächten“ zum Beispiel, die vergessen lassen, dass man eigentlich fahren will und nicht stehen. Bauchtänzerinnen treten dann an Deck, Cocktails werden gereicht. Händler fahren in ihren Holbooten heran und bieten Gewänder, die Galabeyas, feil. Das verkürzt den Abend weiter, weil einige Touristen sich darin zum Tanz wagen, und irgendwann, man hat die Zeit vergessen, setzt sich das Schiff tatsächlich in Bewegung.
Eine Fahrt entlang der spannendsten Zeugen altägyptischer Geschichte beginnt – und eine Fahrt durch eine der schönsten Landschaften Afrikas. Drei große archäologische Ziele liegen auf dem Weg, die Tempelstädte Esna, Edfu und Kom Ombo. Moscheen überragen Häuser, die mit karamellfarbenen Ziegeln bedeckt sind – sie wurden, sagt der Guide, aus Nilschlamm gebrannt. Dattelpalmen und Zuckerrohr säumen die Ufer. Bauern treiben Ziegenherden vor sich her. Kinder baden in gebührendem Abstand. Der Nil ist die Lebensader Ägyptens. Ohne ihn gäbe es dieses Land nicht. Jedenfalls wäre es viel ärmer.
Ohne den Nil wären die alten Ägypter wohl auch nicht in der Lage gewesen – oder gar niemals auf die Idee gekommen –, die majestätischen Anlage von Kom Ombo zu errichten. Sie ist dem Falkengott Horus und dem Krokodilgott Sobek gewidmet. Ehrfürchtig nähern wir uns dem Bezirk. Beschwerlich ist der Weg, denn Kom Ombo liegt auf einer hohen Düne. Aber die zahllosen Reliefs an den Wänden des Tempels entschädigen für jeden Schritt: Überlebensgroß stellen sie das kulturell hoch stehende Leben der alten Ägypter dar.
Wie wichtig diesen Ägyptern der Falke gewesen sein muss, wird dann auch in Edfu, knapp hundert Kilometer weiter nilaufwärts, klar. Hier steht ebenfalls ein Horus-Tempel. Sein Eingangs-Pylon ragt 36 Meter in die Höhe, vor dem schmalen Tor wachen zwei steinerne Falken. Im Inneren wird es düster, es dringt kaum Licht herein. So gut erhalten, sagt der Touristenführer, sei kein anderer Tempel in Ägypten.
Je weiter das Schiff dann nilabwärts nach Süden steuert, desto klarer wird das Wasser. Vier Tage sind vergangen, Partys an Deck; die Gäste haben abends ihre Galabeyas zur Schau getragen und tagsüber ihre Bräune. Die Sonne scheint weiter, als sich am fünften Tag die Bergketten Theben am Horizont ankündigt.
Am Mittag erreicht das Schiff Luxor. Souvenirgeschäfte prägen die Straße. Sie machen Lust auf den Höhepunkt der Reise, das Tal der Könige – auch bekannt als das größte Freilichtmuseum der Welt.
Tief im Berg sind hier die Gräber versteckt und mit farbigen Hieroglyphen verziert. Wer alles sehen wolle, sagt der Guide, müsse mehrere Tage einplanen. Die haben wir nun nicht mehr. Aber wer nicht jedes der 60 prachtvollen Gräber im Tal der Könige betrachten kann, dem sei das Tal der Königinnen empfohlen: Das Grab der Nefertari ist das anmutigste überhaupt. Wer hinein will, muss allerdings schnell sein: Um die Luftfeuchte niedrig zu halten, dürfen pro Tag nur 150 Besucher die Lieblingsfrau von Ramses besuchen.
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